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Chaisa/Sambia 2000


Am 12. Juli war es wieder soweit. Zusammen mit Hedwig Steinkuhl und der Pfarrgemeinderats-Vorsitzenden Monika Meyer brach ich zum zweiten Mal in unsere Partnergemeinde Divine Mercy in Chaisa (Sambia) auf. Freunde und Bekannte, darunter auch Dechant Klaus Hageböck, begleiteten die offizielle Delegation der St. Norbert-Gemeinde bis zum Düsseldorfer Flughafen. Im Gepäck hatten wir Spenden und Geschenke für unsere Partnergemeinde, sowie zahlreiche Briefe und Grüße an Freunde auf dem schwarzen Kontinent.



Nach einem Zwischenstopp in London landeten wir am nächsten Morgen auf dem Flughafen der sambischen Hauptstadt Lusaka. Dort wurden wir von Father Romuald, dem Gemeindepfarrer von Chaisa, Mandevu und Marrapodi, sowie einigen Freunden abgeholt. Zu meiner Überraschung traf ich dort auch Father Bogdan, einen polnischen Missionar, den wir vor zwei Jahren auf seiner Station "im Busch" (in der fast menschenleeren Steppe im Hinterland) besucht hatten. Als er von unserem Besuch gehört hatte, war er sofort nach Lusaka gekommen.

Am Gemeindehaus von Mandevu, unserem Quartier für die nächsten zwölf Tage, stand dann auch schon der Gemeindechor bereit, um uns mit einem kleinen Konzert einen herzlichen Empfang zu bereiten. Man überreichte uns Blumen, und jeder wollte den Gästen aus Deutschland die Hand schütteln.
Am Nachmittag begleiteten wir Father Romuald bei einem Krankenbesuch und waren gleich wieder in der afrikanischen Wirklichkeit. In einer dunklen Hütte lag eine alte Frau auf ihrer abgenutzten Liege und konnte sich noch nicht einmal aus eigener Kraft aufrichten. Für ausreichende Nahrung hatte die fast bis auf die Knochen abgemagerte Frau kein Geld, von Medikamenten oder einem Pflegeheim ganz zu schweigen. Trotzdem war ihr die Überraschung und Freude über den Besuch von so vielen Weißen, die sich normalerweise nicht in die Compounds (Slums) begeben, anzumerken.

Auch die Menschen auf dem Chaisa Plot, dem Gemeindegelände, vergaßen ihre Nöte, als sie die Besucher aus Deutschland kommen sahen. Obwohl der offizielle Empfang in Chaisa für den nächsten Tag vorgesehen war, fanden sich zahlreiche Leute auf dem Chaisa Plot ein, um uns mit Gesängen und Tänzen zu begrüßen. Father Romuald zeigte uns das Schwesternhaus, das auch mit großzügigen Spenden aus Lünen finanziert wird und schon fast fertiggestellt ist. Hier sollen noch in diesem Jahr Ordensschwestern einziehen, die vor Ort für die Menschen von Chaisa da sein können.

Am Abend fühlten wir uns im Gemeindehaus von Mandevu schon wieder richtig heimisch. Mit den Worten "Welcome to your second home" (Willkommen in eurem zweiten Zuhause) waren wir in Sambia begrüßt worden, und leckeres Krokodilfleisch zum Abendessen bildete einen würdigen Abschluß unseres ersten Tages in Afrika.




An unserem zweiten Tag in Sambia besuchten wir die "Justin Kabwe Primary School", eine staatliche Schule in Mandevu mit etwa 2700 Schülern. Ruth Niryenda, die wir schon von unserem letzten Besuch in Afrika kannten, führte uns durch die große Schule, in der sie eine leitende Position inne hat. In Sambia besteht rechtlich eine Schulpflicht bis zum Ende der Primary School (7. Schuljahr). Wer danach eine Abschlußprüfung besteht, kann für die nächsten fünf Jahre auf ein College und danach zur Universität gehen. Allerdings nur, wenn man genug Geld hat, denn in Sambia muß man sowohl für die Universität, als auch für die Schulen und die Prüfungen Gebühren zahlen. Außerdem muß sich jeder Schüler eine Schuluniform in den Farben der jeweiligen Lehranstalt kaufen.

Daß die Schulpflicht oft nur auf dem Papier besteht, stellten wir dann am Nachmittag in Chaisa fest. Beim offiziellen Treffen mit den Menschen von Chaisa auf dem Gemeindeplatz erfuhren wir, daß in unserer Partnergemeinde etwa siebzig Prozent der Kinder nicht zur Schule gingen. Für Familien mit zum Teil zehn Kindern sei es schon schwierig genug, das Schulgeld aufzubringen. Oft kommen zu den eigenen auch noch viele adoptierte Waisen von Verwandten, die an Krankheiten wie Aids oder Tb (Tuberkulose) gestorben sind, die dann noch schlechtere Chancen auf eine finanzielle Unterstützung haben. Dazu kommt, daß viele Eltern die Wichtigkeit einer guten Schulbildung nicht erkennen, da sie selbst nie eine Schule besucht haben. So werden manchmal schon die Kinder zur Arbeit auf den Markt geschickt, um das geringe Einkommen der Familie etwas aufzubessern. Auch die hohe Inflation (etwa 25 Prozent) verschärft die finanzielle Situation der Menschen erheblich.


Auf dem Chaisa Plot konnten wir uns auch das fast fertiggestellte Schwesternhaus ansehen, das im Herbst eingeweiht werden soll, wenn Father Romuald von seinem Heimaturlaub zurück ist. Hier sollen vier Schwestern des afrikanischen Ordens "Daughters of the Redeemer" (Töchter des Erlösers) einziehen, die in der Gemeinde für die pastorale Arbeit und die Unterstützung der Armen, aber auch für eine Schule zuständig sein werden. So soll Chaisa ein Stück unabhängiger werden und auch den Mittellosen und Waisen eine Schulobildung ermöglichen. Die Bewohner von Chaisa drückten ihren Dank in Worten, Gesängen und Tänzen aus. Schließlich wurden wir noch zu einen Nshima-Mahl (dem typischen sambischen Gericht, eine Art Maismehlknödel) eingeladen, das man für uns vorbereitet hatte. Die Gastfreundlichkeit dieser Menschen versetzte uns immer wieder in Erstaunen.

Samstag stand dann ein sportlicher Höhepunkt auf dem Programm: Die sambische Fußball-Nationalmannschaft bestritt ein Länderspiel gegen Äthiopien, und begleitet von einigen Jugendlichen der Gemeinde und ausgerüstet mit einem Schal in den Landesfarben machte ich mich auf den Weg zum Independance Stadium. Auch Staatspräsident Frederick Chiluba sah sich das Spiel an. Während ich mit tausenden Fußballfans eineinhalb Stunden für die Eintrittskarten an der einzigen Kasse anstand und erst eine halbe Stunde nach dem Anstoß ins Stadion kam, kletterten schon zahlreiche Ungeduldige an den Regenrinnen auf die Tribüne, und die Soldaten an den Eingängen hatten große Mühe, den Ansturm unter Kontrolle zu halten. Als einer von höchstens zehn Asungu (Weißen) im Stadion erregte ich natürlich viel Aufsehen, zumal ich mich demonstrativ zum sambischen Team, das nur "Chipolopolo" (Pistolenkugel) genannt wird, bekannte. Nach dem 2:0 Sieg des Teams war ich dann quasi auch in die Reihen der Fans aufgenommen.



Am Sonntag nahm ich mit der Lüner Delegation an drei Gottesdiensten in Mandevu und Chaisa teil. Als Ehrengäste durften wir auch jedesmal die Predigt halten, die vom Deutschen ins Englische und dann nochmal in Chinyanja (die vorherrschende Stammessprache in Chaisa) übersetzt wurde. Die Kirche in Mandevu war bei jeder Messe voll, und auch in Chaisa fanden sich zum Gottesdienst unter freien Himmel hunderte Menschen zusammen. Zum Schluß überreichten uns die Menschen aus Chaisa sambische Hemden und Röcke als Zeichen der Partnerschaft. "Wir sind Schwestern und Brüder, auch über tausende Kilometer hinweg", waren sich alle einig. Auch wir hatten Geschenke für die Gemeindejugend mitgebracht: Die komplette Fußballmannschaft von Chaisa wurde mit schwarzgelben Trikots ausgestattet, die Borussia Dortmund uns für unsere Partnergemeinde gespendet hatte. So wird man von nun an auch in Sambia die Farben des berühmten Fußballvereins sehen.



Auch für die Pre-School (Vorschule) von Chaisa hatten wir Grüße und Präsente aus Lünen dabei. Bei unserem Besuch überreichten wir den zwei Lehrerinnen der etwa sechzig Kinder Stifte und Malutensilien vom katholischen Kindergarten St. Norbert, und die ganze Klasse sang für uns Willkommens- und Dankeslieder.

Die Bewohner des Stadtteils Marrapodi (der zur Gemeinde Mandevu gehört) hatten ebenfalls ein etwa zweistündiges Programm für uns vorbereitet. Nach den Darbietungen des Chors und einem Theaterstück durften wir einmal selbst unsere musikalischen Talente unter Beweis stellen. An der Trommel durften wir bei einigen Liedern mitspielen und sorgten so für allgemeine Begeisterung, auch wenn unsere Fähigkeiten an diesem Instrument noch ausbaufähig sind. Die gute Stimmung hatten wir auf jeden Fall auf unserer Seite, und so brachte uns nach dem obligatorischen Nshima-Essen eine vielköpfige Delegation der Bewohner Marrapodis singend zurück zum Pfarrhaus.

Am sechsten Tag in Sambia besuchten Monika, Hedwig und ich das "Divine Providence Home", ein Heim für alte Menschen, die keine Verwandten mehr haben, die sie pflegen können. Die Leiterin des Heims, die polnische Schwester Judyta, war noch im vorigen Jahr in Lünen gewesen und hatte das Altenzentrum St. Norbert besucht, das eine Partnerschaft mit dem "Divine Providence Home" hat. Wir konnten viele Geschenke und Grüße von den Bewohnern des Lüner Altenzentrums überbringen. Schwester Judyta führte uns über das Gelände ihres Altenheimes, und wir waren erstaunt, wieviel sich in den vergangenen zwei Jahren dort verändert hatte. Trotz fehlender staatlicher Unterstützung versorgen die drei polnischen und zwei afrikanischen Schwestern zwanzig mittellose Bewohner. Neben einer Geflügel- und Kaninchenzucht haben sie sich ein kleines Paradies inmitten der Slums aufgebaut. Trotz mancher Rückschläge geben die Schwestern ihre selbstlose Arbeit nicht auf. "Zweimal haben die Hunde schon unsere Hühner gefressen, aber wir haben uns trotzdem wieder welche gekauft", nennt Schwester Judyta ein Beispiel.

In den folgenden vier Tagen wollte uns Father Romuald dann die Tierwelt des Landes zeigen. Das Land besitzt trotz aller Armut einen großen Reichtum an afrikanischer Flora und Fauna und ist touristisch kaum erschlossen. Im Gegensatz zu einigen Regionen Kenias findet man hier noch viele fast unberührte Regionen vor und kann in den Reservaten auch Löwen fotografieren, ohne gleichzeitig ganze Touristenscharen mit auf dem Bild zu haben. Den Nachteil der fehlenden Infrastruktur bekamen wir dann auch auf der Fahrt zu spüren: Die ersten 600 Kilometer der Straße zum South Luangwa National Park waren noch zum größten Teil asphaltiert, die zahllosen Schlaglöcher erforderten allerdings vom Fahrer gutes Reaktionsvermögen und stellten die Stoßdämpfer auf eine harte Belastungsprobe. Die letzten 120 Kilometer bestanden dann aus unbefestigter Bush Road, die unserem Minibus noch mehr zusetzte als die Schlaglöcher, aber nach 15 Stunden Fahrt kamen wir doch noch in einem Stück an. In einer Herberge der Diözese bezogen wir Quartier und brachen von dort aus zu unseren "Safaris" auf.

Bush Road

Daß der beschwerliche Weg sich gelohnt hatte, mußten wir schon am nächsten Tag zugeben, denn wir sahen fast alles, was einem Europäer in den Sinn kommt, wenn er an afrikanische Tiere denkt. Elefanten, Nilpferde, Krokodile und Antilopen sahen wir ebenso in freier Wildbahn wie Affen, Zebras und Giraffen. Besonders beeindruckend war eine Nachtsafari, bei der wir Nilpferde auf der Futtersuche an Land und sogar Löwen bei der Jagd beobachten konnten.


Nach zwei beeindrucken Tagen bei den Tieren Afrikas machten wir uns wieder auf dem Heimweg nach Lusaka. Eine riskante Reifenpanne auf dem Weg verlief zum Glück glimpflich, so daß wir unbeschadet ankamen. Zwar waren wir 21 Stunden unterwegs, aber in Afrika haben Entfernungen ganz andere Dimensionen, und es ist wichtiger, dass man ankommt, und nicht wann. Enrica Phiri aus Mandevu, die im vergangenen Jahr auch zu Besuch in Lünen war, fährt beispielsweise regelmäßig mit dem Zug nach Tansania, um dort Kartoffen und Zwiebeln zu ernten, die sie in Sambia verkauft. Die Fahrt in überfüllten Abteilen der 3. Klasse dauert drei Tage pro Strecke, aber wenn sie dadurch ein paar Kwacha für ihre neun Kinder verdienen kann, nimmt sie diese Mühe auf sich.



Schon am Tag nach unserer langen und anstrengenden Heimfahrt vom Nationalpark hatten wir ein Treffen mit den "Daughters of the Redeemer". Von diesem Orden sollen vier Schwestern in das Haus auf dem Chaisa Plot ziehen. Schwester Grace und Schwester Matilda sind vielen Lünern schon durch ihre Besuche in Lünen bekannt, Schwester Matilda ist sogar von Kitwe, ihrem Wohnort nördlich von Lusaka, 400 Kilometer weit gefahren, um uns zu begrüßen. Im Haus der Schwestern im Stadtteil Longacres aßen wir zu Mittag und Schwester Auxilia Ponga, die neue Oberin des Ordens, erläuterte uns ihre Pläne für das Schwesternhaus in Chaisa. Von den Schwestern, die in Chaisa wohnen werden, soll sich unter anderem eine ganz der pastoralen Arbeit in der Gemeinde widmen und eine andere als Lehrerin für die Kinder von Chaisa tätig sein. Da es in Chaisa so viele Kinder gibt, die noch nie zur Schule gegangen sind, erwägen die Schwestern auch, dort ein Schulprojekt aufzubauen, in dem Kinder im Alter von etwa neun bis sechzehn, die noch nie auf einer Schule waren, zumindest das Lesen und Schreiben lernen können. Eventuell wird auch eine Schwester für das Home Based Care Projekt in Chaisa tätig sein, eine Gruppe von Männern und Frauen, die sich ehrenamtlich um Alte und Kranke in der Gemeinde kümmern. Die Schwestern des afrikanischen Ordens, mit dem die St. Norbert-Gemeinde in Zukunft viel zusammenarbeiten wird, zeigten uns auch ihr Mutterhaus auf dem Mount Zion (Berg Zion) vor Lusaka, wo auch die neuen Ordensschwestern ausgebildet werden.


Am nächsten Tag hatten wir zusammen mit Schwester Auxilia Ponga eine Audienz beim Erzbischof von Lusaka, Medardo Mazombwe, der sich sehr erfreut über die Fortschritte beim Bau des Schwesternhauses zeigt. Er begrüßte die Pläne für die Gemeinde in Chaisa und bestärkte uns in unserem Vorhaben. Mit dem Segen des Bischofs kann das Schwesternprojekt nun bald starten.
Dienstags war schon wieder der Tag des Abschieds gekommen, und wir mußten uns von unseren Freunden und Freundinnen in Chaisa, Mandevu und Marrapodi trennen. Sie ließen uns aber nicht gehen, bevor wir versprochen hatten, noch einmal nach Sambia zu kommen, was uns nicht schwerfiel, schließlich ist es inzwischen schon ein zweites Zuhause für uns geworden.

Abendstimmung in Afrika

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