Around the World in 109 days
Um die Welt in 109 Tagen
04.05.-21.08.2008
Russland, 06.-08.05.2008
Zeitzone: Kalmückien & Astrachan = MESZ + 2h
1 Euro = 37 Russische Rubel
Um 9:15 Uhr erreichten wir Rostov-am-Don, wo schon einige Fahrgäste
ausstiegen. Um 10 Uhr wurde die Gruppe dann nach ihren genauen Reisezielen
in der Region aufgeteilt, und ich fuhr mit einer Gruppe in einen kleineren
Bus bis nach Jaschalta, wo ich nach 50 Stunden Busfahrt endlich angekommen
war und - entgegen voriger Befürchtungen - meine Beine und andere
Körperteile noch spüren konnte. Ich hätte nicht gedacht,
daß man so einen Höllentrip so gut wegstecken kann (was nicht
heißt daß das nach meiner Weltreise zum Hobby wird).
In Jaschalta wartete schon Anna vom Sputnik-Reisebüro auf mich, und per
Linien-Minibus (Marshrutka) ging es um 13:30 Uhr gleich weiter nach Westen
in die kalmückische Hauptstadt Elista. Obwohl ich schon von den
ukrainischen Landstraßen abgehärtet war, stellten die
kalmückischen noch eine Steigerung dar. Wir wurden wirklich gut
durchgeschüttelt, was komischerweise Anna mehr ausmachte als mir,
obwohl sie dort aufgewachsen ist. Hier gewann ihr Lieblingslied "Country
roads take me home" eine ganz neue Bedeutung. Ich fand die knapp
dreieinhalbstündige Fahrt (nur ein Katzensprung nach der 50-Stunden-Tour)
durch die kalmückische Steppe ganz nett.
In Elista angekommen suchten wir zunächst einen funktionierenden unter
den 4 Geldautomaten Elistas (beim 3. waren wir erfolgreich), dann checkte
ich um 17:30 Uhr im Hotel Elista ein und bezog mein komfortables aber
für den Preis doch recht unbeeindruckendes Zimmer. Trotzdem war die
heiße Dusche nach zweieinhalb Tagen ununterbrochener Fahrt unbezahlbar.
Fotogalerie: Ankunft in Kalmückien
Um 19 Uhr holte mich Anna im Hotel ab, wir deponierten meine Wertsachen dann
in ihrem Bürotresor und fuhren zum Club OverDrive. Dort fand an dem Abend
ein kleines Punkkonzert mit zwei lokalen Bands (Nortan und Rat Race) und einer
etwas bekannteren Gruppe (Port(812) aus St. Petersburg) vor überwiegend
jüngerem aber gutgelauntem Publikum statt. Anna, ihre Freundin Inna
(leicht zu merken!) und ich genossen das Spektakel und gutes, preiswertes
(ca. 35-40 Rubel für 0,5 l) russisches Bier. Als wir gehen wollten,
bemerkten einige der Gäste, daß ich offensichtlich doch von weiter
her kam, und gleich wurde auf die deutsch-kalmückische Freundschaft
angestoßen. Gegen 23 Uhr eskortierten mich meine "Bodyguards" Anna und
Inna aber dann doch zurück zum Hotel, denn nachts soll es in Elista
für Ausländer (vor allem wenn sie kein Russisch sprechen) doch
etwas gefährlich sein. Naja, nach der langen Reise und Feier konnte ich
inzwischen auch sehr gut schlafen - in einem richtigen Bett!
Fotogalerie: Punkrock
Mittwoch morgen frühstückte ich meinen restlichen Proviant im Zimmer
und brach gegen halb elf zur Sightseeingtour durch Elista auf. Mein Hotel lag
wirklich zentral, so daß ich nach einigen Metern schon am Goldenen Tor
(Altyn Boskh) stand, unter dem Gäste der Stadt traditionell ihre Gedanken
und Seele reinigen sollen. Direkt dahinter befindet sich der hübsche
Hauptplatz der Stadt, umgeben vom Rathaus, dem Weißen Haus (in dem die
kalmückische Regierung tagt), einer Lenin-Statue und anderen Gebäuden.
Ansehnlicher sind aber die rote Pagode und der Springbrunnen auf dem Platz. Dort
befindet sich auch ein großes Freiluft-Schachfeld, das sich in der
Schachrepublik Kalmückien großer Beliebtheit erfreut.
Vom Stadtzentrum aus wanderte ich dann die Hauptstraße, die noch immer
nach Vladimir I. Lenin benannt ist, entlang zum größten buddhistischen
Tempel Europas. Etwa zwei Drittel der Bewohner Kalmückiens sind Nachkommen
mongolischer Stämme und traditionell Buddhisten. Die meisten anderen sind
russisch-orthodoxe Christen, aber es gibt auch eine katholische Kirche in Elista.
Der Tatsache, daß Kalmückien die einzige buddhistische Region Europas
ist, trägt der riesige, wirklich schöne buddhistische Tempel ausreichend
Rechnung. Im Inneren thront eine riesige goldene Buddha-Statue, und zwischen den
buddhistischen Gemälden taucht immer wieder der aktuelle (14.) Dalai Lama auf,
der offensichtlich von den Kalmücken sehr verehrt wird. Bei buddhistischer
Musik herrscht im Tempel eine schöne, meditative Atmosphäre, die ich
eine ganze Weile genoß.
Vorbei an einigen kommunistischen Gebäuden, einer hübschen orthodoxen
Kapelle und dem buddhistischen Monument "Mortar of Enlightment" marschierte ich
schließlich zur "City Chess". Diesen Stadtteil hatte der schachbegeisterte
Präsident Kalmückiens (Schach ist dort offizielle Nationalsportart)
anläßlich der in Elista stattfindenden 23. Schach-Olympiade errichten
lassen. Die Pläne für den weiteren Ausbau von City Chess sind wirklich
beeindruckend aber wohl leider nicht finanzierbar.
Zurück im Stadtzentrum flanierte ich noch eine Weile durch den Zentralpark,
entlang an diversen Statuen und Monumenten bis zu einer Gedenkstätte, an der
Schulkinder (immer in Paaren russischer und kalmückischer Abstammung)
marschieren übten. Ich marschierte derweil zurück zum Hotel, genoß
die letzte Dusche, packte und checkte aus. Meine Reiseleiterin Anna kam gegen
16 Uhr, um mein Gepäck abzuholen, während ich noch eine Stunde ins
Internetcafe ging. Dort merkte ich mal wieder, daß ich wirklich kein
Russisch verstehe (auch wenn ich das Kyrillische inzwischen einigermaßen
lesen und schreiben konnte), die Mitteilungsfenster und Menüs stellten mich
manchmal schon vor eine harte Herausforderung.
Nach Feierabend ging Anna mit mir noch in einer Art öffentlichen Kantine
lecker essen und ließ mich original kalmückischen Tee (mit Milch und
Salz) probieren, der doch tatsächlich ganz gut schmeckte. Danasch flanierten
wir noch etwas durch die Stadt und saßen eine Weile in ihrem Büro,
bevor wir gegen 21:30 Uhr einen Minibus zum Busbahnhof nahmen, von wo ich abends
weiter nach Astrachan fahren sollte. Leider verfügen die Busgesellschaften
dort noch nicht über ein computergestütztes Buchungssystem, so daß
wir bis 23:45 Uhr auf den gut eine Stunde verspäteten aus Rostov kommenden
Bus warten und hoffen mußten;, daß darin noch ein Platz für mich
frei war. In der Zwischenzeit wurden unsere Pässe von drei Polizisten
kontrolliert, die offensichtlich Langeweile hatten und - natürlich - auch
kein Englisch sprachen.
Als der Bus schließlich kam, ergatterte Anna für mich einen Sitzplatz
neben einer von ihr als unverdächtig eingeschätzten älteren Frau.
Sie machte sich wirklich Sorgen um kriminelle oder betrunkene Mitfahrer im Bus,
da ich mal wieder der einzige Ausländer dort war. Doch die anderen
Fahrgäste belästigten mich nicht, vielleicht abgesehen von penetrantem
Schnarchen direkt hinter mir oder einem Typen, der mitten in der Nacht die Musik
auf seinem Handy per Lautsprechen hören mußte.
Fotogalerie: Elista
Ich versuchte, die meiste Zeit zu schlafen. Interessant wurde es aber noch einmal
um 3:30 Uhr, mitten in der Nacht. Am Kontrollposten zwischen der Republik
Kalmückien und dem Oblast (Provinz) Astrachan hielten wir an, mußten
unsere Ausweise zeigen, und dann stellte der Fahrer wohl ein Problem mit seinem
Bus fest, was offensichtlich auch den penetranten Spritgeruch im Fahrzeug
erklärte. Da sich der Motorraum unter den letzten Sitzen befand, stiegen
wir fast alle aus und konnten den herrlich klaren Sternhimmel genießen.
Außerdem machte ich Bekanntschaft mit einem sehr einfachen
Grenz-Klohäuschen, das mich stark an die in der Mongolei erinnerte, mit
herrlichem Ausblick in die Steppe und nicht so herrlichem im Inneren, den man
sich aber zur Verhütung von Absturzgefahr doch kurz per Taschenlampe
genehmigen mußte. Nach einer Stunde Reparaturzeit fuhr unser Bus, noch
mit dem alten Aufdruck "Granat-Reisen", wieder.
Kurz vor Astrachan konnten wir einen herrlichen Sonnenaufgang in der Steppe
genießen, dann fuhren wir in die Stadt im Mündungsdelta der Wolga.
Gegen 6 Uhr erreichten wir den Bus- und Hauptbahnhof und ich machte mich samt
vollständigem Gepäck (in Ermangelung von Schließfächern)
und trotz leider rebellischem Magen per Minibus 13 auf dem Weg in die Stadt.
Die Kirche und Gebäude des Kremls zählen zu den Hauptattraktionen der
Stadt, doch leider waren sie gerade in Restaurationsgerüste gehüllt.
Weiter ging's zum nahe gelegenen Park und der schönen orthodoxen
Vladimirkirche und dann an das Ufer der Wolga, des längsten Flusses Europas.
Um 11 Uhr war ich zurück am Bahnhof und durfte dort noch eine gute Stunde
bei durchaus kommunistisch klingender Musik aus den Bahnsteiglautsprechern die
Zeit totschlagen. Dann war mein Zug da, doch die offensichtlich überaus
unmotivierte Zugbegleiterin ließ uns und ihre Mitarbeiterin noch eine
ganze Weile draußen stehen, bevor sie sich erhob und die Tür
öffnete. 13:06 Uhr ging die Fahrt los, schön bequem im Zug nach Tagen
in engen Bussen.
Fotogalerie: Astrachan
Da ich Platskarte (ja, ein deutsches Wort im Russischen!) gebucht hatte, die
preiswertere Kategorie der Schlafwagen, hatte ich kein geschlossenes Abteil
sondern eine von etwa 6 Schlafbänken in einem halb offenen Abteil. Der Zug
war aber nicht besonders überfüllt, so daß das kein Problem
darstellte. Ich war - soll das bis Thailand so weitergehen? - mal wieder der
einzige Ausländer und erneut sprach niemand Englisch, nicht mal ein, zwei
Sätze. Trotzdem redeten meine Sitznachbarn, allen voran Baba Luba aus
Tadschikistan und Aleksandar aus Russland, aber zeitweise auch Kim aus
Kasachstan (die nach dem Einsteigen erstmal ihren kleinen Kaktus am Fenster
aufgestellt und es sich ein wenig wohnlich gemacht hatte), Rufia aus Russland
und einige andere Leute im Waggon fleißig auf mich ein und freuten sich
tierisch, wenn ich auch mal einen russischen Satz rauskriegte. So war es doch
noch ganz nett, auch wenn ich mich ein wenig wie ein Taubstummer fühlte,
ohne eine Möglichkeit, vernünftig zu kommunizieren. Vielleicht ist
Russland auch deshalb ein eher schwieriges Reiseland.
Neben der recht langsamen Zugfahrt kam aber mal wieder ein noch langsameres
Ereignis hinzu: Grenzkontrolle! Etwa 13:30 Uhr bis 16:20 Uhr standen wir an der
russischen Grenze. Dann fuhr der Zug eine gute Stunde weiter und ich dachte
schon, ich bekomme keinen kasachischen Stempel. Aber um 19:30 Uhr (diesmal
West-Kasachstan-Zeit, d.h. eine Stunde weiter als Astrachan/Russland) gab es
das ganze nun in Ganyushkino mit den kasachischen Behörden. Einer davon
sprach sogar ein kleines bißchen Englisch und wollte mir offensichtlich
Zoll (oder Trinkgeld für sich selbst) für meine Kamera, den Laptop
und die Speicherkarten abknüpfen, doch da verstand ich ihn nicht (mit
den eigenen Waffen zurückschlagen), die anderen im Abteil konnten's mir
auch nur auf Russisch erklären, und so gab er schließlich auf. Hehe.
Nachdem wir noch Ewigkeiten aus unerfindlichen Gründen weiter im Bahnhof
gestanden hatten, ging es 21:30 Uhr endlich weiter und ich konnte mich auf
meiner Matratze ausstrecken und ein paar Stunden schlafen.
weiter nach Kasachstan
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