Around the World in 109 days
Um die Welt in 109 Tagen
04.05.-21.08.2008
Kasachstan, 08.-16.05.2008
Zeitzone: Atyrau = MESZ + 3h; Aralsk, Turkistan & Almaty = MESZ + 4h
1 Euro = 185 Kasachische Tenge
Freitag, 09.05.2008
Gegen 3:40 Uhr erreichten wir den Bahnhof von Atyrau, meine erste Station in
Kasachstan. Hier stiegen auch viele Kasachen mit ihren Einkäufen aus
Rußland aus, zum Teil recht sperrige Sachen wie ein Dutzend
zentnerschwere Stahlrohr-Ventile, im Zug kann man nun wirklich alles
transportieren. Atyrau liegt nicht weit vom Kaspischen Meer und ist
heutzutage vor allem wegen der dortigen Ölfelder eine wichtige
Stadt. Das merkte man dem Bahnhof allerdings nicht an. Zwar gab es
rund 6 Geldautomaten (von denen immerhin die Hälfte funktionierte)
und es hatten etwa 5 Snackbuden auf (wo ich mir eine preiswerte kasachische
Prepaid-Handykarte besorgte), aber der Ticketschalter öffnete erst um
6 Uhr, was mir einige langweilige Wartezeit bescherte. Die anderen Anwesenden
schienen das allerdings gewohnt zu sein, sie wirkten sehr routiniert beim
Warten. Die junge Dame am Ticketschalter sprach ein bißchen Englisch
(Hurra!) und nach einigem Hin und Her (und nachdem sich das halbe Dutzend
Aserbaidschaner vorgedrängelt hatte, ich muß mir hier wohl das
japanische, höfliche Benehmen abgewöhnen) hatte ich meine Zugtickets
nach Aralsk und Turkistan in der Hand.
Leider fuhr der nächste Zug nach Aralsk erst am nächsten Morgen, so
daß ich mir für die Nacht eine Bleibe im eher teuren Atyrau suchen
mußte. Also fuhr ich mit dem Bus in die Stadt und ging zu Fuß
über die Ural-Brücke von Europa nach Asien. Den ersten Kontinent
hatte ich also schonmal verlassen, nun kam der bei weiten größte.
Das im Lonely-Planet-Reisefürer empfohlene Hotel Kair war im Endeffekt 30
Prozent teurer als erwartet (und 3x so teuer wie meine Liege im Nachtzug),
auch dort sprach niemand Englisch, aber am Ende war es doch schön, mal
wieder gut zu duschen, einige Klamotten durchzuwaschen und Zeit zu haben,
meine Reiseberichte zu verfassen.
Am späten Nachmittag machte ich mich dann aber doch noch mal auf,
um ein bißchen Atyrau zu erkundigen. Zunächst spazierte ich
zum nahe gelegenen Strand des Ural, der aber nicht wirklich beeindruckend
war. Also über die nette Fußgängerbrücke wieder
rüber nach Europa, durch den Park Pobedy zum Platz im Stadtzentrum
mit der nahegelegenen hübschen Mangali-Moschee. Ein Stück weiter
nördlich sah ich mir noch die goldenen Zwiebeltürme der
russisch-orthodoxen Kirche an und wanderte anschließend über
die Satpaev-Abay-Brücke wieder nach Asien um in der Guns-&-Roses-Bar
im eher teuren Hotel Ak Zhaik was trinken und essen (Bier-Omelett!) und
nutzte ausgiebig das kostenlose WiFi-Internet. Endlich mal mit meinem
eigenen PC online gehen, ohne mich mit russischen Fehlermeldungen
herumschlagen zu müssen.
Zurück am Hotel hörte ich in der Nähe Feuerwerksgeräusche,
und als ich zum nahe gelegenen Flußufer kam, konnte ich ein nettes
Feuerwerk am anderen Ufer betrachten. Da fiel mir auch ein, warum ich in der
Stadt so viele Poster mit Anspielung an den 2. Weltkrieg gesehen hatte. Es war
der 9. Mai, Tag der deutschen Kapitulation 1945 und als "Tag des Sieges"
Feiertag in Russland und auch Kasachstan.
Fotogalerie: Atyrau
Samstag, 10.05.2008
Mit einem Privattaxi (in Kasachstan, wie in Russland, kann man an der
Straße stehend im Prinzip bei jedem Auto mitfahren und gibt dem
Fahrer dafür einen Betrag ähnlich dem für eine normale
Taxifahrt, rund 1-3 Euro) fuhr ich, zusammen mit einer Dame die ebenfalls
dorthin wollte, zum Bahnhof.
Um 6:55 Uhr ging es dann wieder los auf eine lange Zugfahrt durch die
kasachische Steppe. Der Anblick war nett, wurde mit der Zeit aber auch
eintönig, und als auch der Akku meines Laptops leer war, stellte
sich ein bißchen Langeweile ein. Zwar schien der Mann, der mir
gegenüber saß ganz nett zu sein, aber er sprach leider nur
Kasachisch und Russisch. Für Abwechslung sorgten zumindest die die
viele Verkäufer (möglicherweise auch Passagiere mit
Handelsgütern im Gepäck), die neben den klassischen Sachen wie
Zigaretten, Getränken, Gebäck und anderen Lebensmitteln auch
Dinge wie Socken, Hosen oder riesige geräucherte Fische (wo hatten
die die mitten in der trockenen Steppe her??) verkauften. Ein Klassiker -
warum werde ich wohl nie verstehen - waren bunte Plastikvögel, die
batteriebetrieben zwitscherten und sich bewegten. Zwischendurch hörte
sich der Waggon an wie ein Tropenhaus im Zoo.
Als die Sonne orangerot in der Steppe versank (in Zentralasien habe ich
schon so einige beeindruckende Sonnenuntergänge gesehen) sah ich neben
den Schienen in regelmäßigen Abständen kleine Feuer brennen,
so etwas wie Leuchtfeuer für den Zug? Naja, manches muß man als
Auswärtiger nicht verstehen und erklären konnte es mir auch niemand
(außer vielleicht auf Russisch). Also legte ich mich irgendwann schlafen
und genoß erneut den Komfort eines russischen Liegewagens, billiger als
ein Hotelzimmer, und man wacht hunderte Kilometer weiter in einer ganz anderen
Gegend auf, wirklich praktisch.
Fotogalerie: Zugfahrt
Sonntag, 11.05.2008
Die Ankunft in Aralsk (der Bahnhof heißt Aral More) war eher hektisch.
Im Gegensatz zu größeren Bahnhöfen hielt der Zug dort nur ein
paar Minuten, so daß ich schnell mein Zeug zusammenraffen und
rausspringen mußte, als der Schaffner mich weckte. In Aralsk regnete
es auch zum ersten Mal seit ich in Kasachstan war, und sogar recht stark.
Da es ohnehin noch stockdunkel war, machte ich es mir im Bahnhofs-Wartesaal
unter dem kommunistischen Mosaik bequem, ließ mich nicht von den
Taxifahrern überreden, zu einem Hotel zu fahren und wartete darauf,
daß es hell wurde.
Gegen halb sieben schien die Sonne, und der Regen hatte auch aufgehört.
So wanderte ich die 10 min in die Stadt, die noch schlief, und sah mir den
alten Hafen des ehemaligen Fischerortes an, in dem einige verrostete
Kähne aufgebockt waren. Vom Aralsee war nichts zu sehen, und das nicht
aufgrund von Gezeiten, sondern wegen unökologischer Maßnahmen der
ehemaligen UdSSR. Damals hatte man die die beiden Zuflüsse des Aralsees,
den Syr-Darya und den Amu-Darya, zur Bewässerung riesiger
Baumwollplantagen so stark angezapft, daß im Aralsee kaum noch etwas
ankam und er 80 Prozent seiner Wassermasse verloren hat, was dazu führte,
daß Fischereiorte wie Aralsk nun über 50 km (vor 10 Jahren waren
es fast 100 km) vom Ufer entfernt sind und ihrer Haupterwerbsquelle beraubt.
So sieht man in der Steppe vor sich hin rostende Schiffswracks, die nur
aufgrund des starken Regens am Morgen in der Nähe des Wassers lagen,
wobei es such aber nur um Pfützen oder kleinere Tümpel handelte.
Ich beschloß, ein bißchen im Meer, das nicht mehr da war,
spazieren zu gehen, und bestaunte so einige unfreiwillig trockengelegte
Schiffswracks.
Als ich mich dann mehr gen Westen wandte, wurde der vorher noch recht
matschige Boden immer härter und trockener, und plötzlich
befand ich mich in einer Regelrechten Wüste, die - wie ich an den
zahllose Muschelschalen am Boden erkennen konnte - vor einigen Jahrzehnten
noch der Meeresgrund des Aralsees gewesen waren. Jetzt lebten dort
natürlich keine Meerestiere mehr, dafür aber Kamele, mit denen
ich meine Mittagspause verbrachte, wo bei wir uns gegenseitig neugierig
beobachteten.
Zurück in Aralsk besuchte ich das Büro der Sozialorganisation
"Aral Tenizi", die mit finanzieller Unterstützung aus Dänemark
versuchen, die Situation der örtlichen Fischer zu verbessern. Seit
vor einigen Jahren ein neuer Damm die inzwischen zwei Teile des Aralsees
trennt, steigt der Wasserspiegel des kleineren, nördlichen Teils
wieder an und nähert sich langsam wieder dem Ort. Es gibt auch noch
einigen Fischbestand darin, und mit Schulungen versucht Aral Tenizi, eine
bestandserhaltende Fischerei zu ermöglichen. Eine neue Fischfabrik
im Ort hat ebenfalls wieder mehr zu tun, und langsam scheint sich die
Situation zu bessern.
Trotzdem wirkte die Stadt für mich recht ausgestorben und staubig und
zugegebener maßen recht langweilig, denn außer dem Aralsee gibt
es dort nichts zu sehen, und selbst der ist ja nicht mehr da. Also ging ich
erstmal in einem kleinen Restaurant (wo ich einziger Kunde war) essen, das
einzige zur Auswahl stehende Gericht - Borschtsch, eine russische
Gemüsesuppe, die aber wirklich lecker war. Dann streunte ich noch
über den örtlichen Basar, kaufte ein wenig Proviant ein und ging,
da - nicht unerwarteterweise - nirgendwo Internet zur Verfügung stand
(im Computercenter konnte man lediglich mit einigen Kindern an diversen
Konsolen spielen), wieder zurück zum Hafen, und sah mir Meer/Wüste
unter dem blauen Himmel an.
Irgendwann kam eine Gruppe kleiner Jungen an, die sich offensichtlich
für den exotischen Ausländer mit dem großen Rucksack
interessierten. Einige sprachen sogar ein paar Worte Englisch (und
bemühten sich auch mehr als die meisten Erwachsenen bisher), brachten
mir einige ihrer Spiele bei und vollführten einige akrobatische
Kunststücke, um mich zu beeindrucken. Das war dann doch ganz unterhaltsam.
So ging die Zeit doch einigermaßen schnell herum, und als die Sonne
gegen halb neun unterging, machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof, wo ich
noch ein paar Stündchen warten mußte (das war ich inzwischen ja
gewohnt), bis der 0:56-Uhr-Zug Richtung Turkistan einfuhr. In meinem Abteil
waren ein junger Kasache und ein älterer Russe schon gut gelaunt und
tranken Bier, doch ich war nach 21 Stunden Action in Aralsk nur hundemüde
und legte mich schnell schlafen.
Fotogalerie: Aralsk
Montag, 12.05.2008
Als ich morgens aufwachte, saß der junge Kasache, Askar, augenscheinlich
mein neuer Freund, sofort neben mir und unterhielt sich angeregt mit mir, das
heiß er redete ununterbrochen auf Russisch auf mich ein und ich verstand
kein Wort, was ihn aber nicht weiter störte. Er versuchte mir stattdessen,
etwas Russisch beizubringen, indem er mich einige Sätze nachsprechen
ließ, ohne daß ich eine Ahnung hatte, was sie bedeuteten. Da mir
der Typ zu anstrengend war, legte ich mich nochmal schlafen, was er nach
einiger Zeit auch akzeptierte. Gegen 11 Uhr war ich allerdings wirklich
ausgeschlafen, und als ich die Augen aufschlug, hatte ich auch schon wieder
meinen Kumpel neben mir und ein Bier in der Hand. Naja, es blieb mir wohl
nichts anderes übrig, als mit Askar ein Frühstücksbier zu
trinken (für ihn war es definitiv nicht das erste an dem Morgen), zu
quatschen (zwischendurch konnte zum Glück unser russischer Sitznachbar
ein paar Worte übersetzen) und Fotos mit Mitreisenden zu machen. Als wir
um 13 Uhr in Turkistan ankamen, war Askar wirklich traurig, daß ich
schon aussteigen mußte, ich allerdings war eher erleichtert, den wohl
netten aber doch recht anstrengenden Menschen los zu sein.
Fotogalerie: Zugfahrt
Am Bahnhof kaufte ich direkt schon einmal das Zugticket für den
nächsten Tag nach Almaty, dann nahm ich ein Taxi in die Stadt
(für 400 Tenge, da der Fahrer kein Wechselgeld hatte). Daß
Turkistan schon etwas touristischer ist als Aralsk und Atyrau merkte
ich schon am Bahnhof an den aufdringlichen Taxifahrern und Verkäufern,
was allerdings nicht hieß, daß deshalb jemand Englisch sprach.
Auch die Dame vom Hotel Sabina, wo ich für 2000 Tenge ein sehr einfaches
Zimmer bezog, sprach nur kasachisch und russisch, aber mit mir waren zwei
Studenten angekommen (Roman aus der Slowakei und Lenka aus Tschechien),
die Russisch sprachen und für mich übersetzen konnten. Die ersehnte
Dusche mußte allerdings noch warten, da von 11 bis 17 Uhr in der
Stadt (oder zumindest diesem Stadtteil) kein fließendes Wasser zur
Verfügung stand, wie ich erfuhr. Willkommen in der Wüste!
Also halt nur kurz umziehen, dann ging ich mit Roman und Lenke erstmal im
Café gegenüber Mittagessen. Von den etwa 30 Gerichten auf der
Speisekarte gab es allerdings nur etwa drei, so daß ich mal wieder
lecker Borschtsch zum Mittag hatte. Auch in dem Cafe hatte man kein passendes
Wechselgeld und gab uns stattdessen eine Packung Kaugummi zurück.
Anschließend machte ich mich per Marshrutka auf den Weg zur Migration
Police, um mich registrieren zu lassen. Laut der Karte, die ich bei der
Einreise erhalten hatte, mußte ich das in meinen ersten 5 Tagen in
Kasachstan machen, um mich nicht strafbar zu machen. Allerdings meinte
der Polizeioffizier, zu dem ich geleitet wurde, wegen des Feiertags am
Freitag und des Wochenendes hätte ich ja noch 2-3 Tage Zeit und sollte
das in Almaty erledigen. Ich bat ihn, die Registrierung doch trotzdem vor
Ort zu erledigen, wo ich schon mal da sei, und falls ich in den nächsten
Tagen kontrolliert würde (was eigentlich fast täglich im Zug geschah)
und der entsprechende Polizist die Zählung einschließlich Feiertage
machen sollte. Doch der Polizeioffizier ließ sich selbst nach 20 min
Diskussion nicht herab, mir den simplen Stempel auf meine Migration-Card zu
geben und wurde offensichtlich langsam schon etwas ungehalten von dem
Touristen, der ihn beim Sitzen in seinem Chefsessel störte. Sichtlich
angenervt von der kasachischen Polizei verließ ich das Büro, nur
um mir von dem Typen an der Pforte die Laune noch mehr verbessern zu lassen,
denn er wollte dreisterweise 500 Tenge Trinkgeld dafür haben, daß
er meinen Namen in dem Buch am Eingang des Polizeireviers notiert hatte, als
ich gekommen war. Ich sagte ihm, ohne Registrierung gibt es von mir gar
nichts und marschierte unter seinem lauten Protest davon. Jetzt weiß
ich, warum im Reiseführer weniger vor Kriminellen als vor der Polizei
gewarnt wurde.
Anschließend wollte ich meine restlichen Russischen Rubel in Tenge
umtauschen, doch bei der Bank wollte man nur US-Dollar haben. (Warum sollte
man auch die Währung des großen Nachbarlandes annehmen?? Grr!)
Aber schließlich fand ich auf dem Bazar dann doch eine kleine
Wechselstube, wo ich das russische Geld loswurde.
Nach de ganzen Ärger wollte ich Turkistan aber dann doch noch etwas
Positives abgewinnen und schnappte mir ein Taxi nach Sauran, etwa 40 km
nordwestlich von Turkistan. Der Taxifahrer war zur Abwechslung mal nicht
aufdringlich, sondern recht freundlich und präsentierte mir, als ich
sagte, daß ich aus Deutschland käme seine Deutsch-Kenntnisse:
"Eins, zwei, drei" und "Heil Hitler". Das hatte ich schon von einigen Kasachen
gehört, die in der Regel noch nicht einmal genau wissen, was es bedeutet,
aber ich finde, hier hat das Goethe-Institut noch einiges aufzuholen, um
andere Aspekte der deutschen Sprache zu verbreiten.
Von Sauran, einer ehemaligen Bastionsstadt an der Seidenstraße, sind
nur noch die Reste der ehemaligen Stadtmauern übrig, die in der leeren
Steppe aufragten, was schon bei der Anfahrt (gegen halb sechs) beeindruckend
aussah. Durch ein Loch in der Mauer (vielleicht früher mal ein Tor)
betrat ich das Innere der früher wohl ziemlich ausgedehnten Stadt, wo
jetzt aber nur noch Steppengras wuchs. Ich war der einzige Besucher, und
es gab auch keine Ticketverkäufer oder aufdringlichen Verkäufer,
so daß ich mich ein bißchen wie ein Entdecker fühlen konnte, als
ich auf dem Kamm der ehemaligen Befestigung das frühere Sauran (es gibt
in der Nähe noch zwei kleine Orte, die ebenfalls Sauran heißen)
umrundete. Nach etwa einer Stunde hatte ich das meiste gesehen, und mit meinem
netten Taxifahrer ging es die etwa 45 min zurück nach Turkistan.
Zurück im Hotel Sabina kam mir Roman frisch geduscht aus dem
Gemeinschafts-"Badezimmer" (die Dusche war eher eine enge Abstellkammer,
während im ziemlich großen WC-Raum ein Hockklo auf einem Podest
in der Mitte des Raumes fast wie ein Thron wirkte) entgegen. Doch als ich
auch den Wüstenstaub abwaschen wollte, schloß der nette Hotelchef
(der wirklich nett war, auch wenn er meist Hiobsbotschaften überbrachte)
die Duschzelle ab und teilte uns mit, das die Wasserzeit wieder vorbei sei.
Er versprach aber, mich am nächsten Morgen um 7 Uhr zu wecken, wenn es
wieder kurzzeitig fließend Wasser gäbe! Whaaaaa! Da ich mir nach
zwei Nächten im Zug aber zumindest einmal wieder die Haare waschen
wollte, nahm ich eine Mineralwasserflaschen-Dusche über dem Waschbecken
und fühlte mich danach schon deutlich besser.
Ohne ehrlich gesagt viel Hoffnung auf Erfolg zu haben, machte ich mich dann
auf die Suche nach einem Internetcafe. Ich fand tatsächlich ein Schild
mit der Aufschrift "Internet", doch das Qazaktelekom-Gebäude, zu dem es
wies war gerade im Umbau und deshalb geschlossen. Und der Mann, der davor
stand, meinte, in Turkistan gebe es auch sonst nirgendwo Internet. Warum
auch in einer 100000-Einwohner-Stadt?
Immerhin gab es einen kleinen Supermarkt, wo ich mir eine Flasche
preiswerten Orangensaft kaufte, um mich mal etwas gesund zu ernähren.
Allerdings machte mir schon etwas Gedanken, daß die Ameisen auf der
Straße sich nicht auf das süße Zeug stürzten, als
ich versehentlich etwas davon verschüttete, sondern im Gegenteil das
Weite suchten. Naja, schmeckte trotzdem.
Ich nutzte dann den freien Abend und wanderte passend zum Sonnenuntergang
zum Yasaui-Mausoleum, einem wirklich sehenswerten Monument (und
Touristenattraktion Nummer 1 in Turkistan). Das milde Abendklima, die
friedliche Atmosphäre und der Anblick der hunderte Jahre alten
Gebäude waren dann doch den Aufwand wert, nach Turkistan zu kommen
(und ein bißchen den Ärger mit der Polizei). Hier war auch
einer der wenigen Orte, wo man Frauen mit Kopftuch sah (wenn auch sehr
leger getragen), in der Hinsicht ist das muslimische Kasachstan doch sehr
liberal. Man sieht auch beispielsweise in Parks junge Pärchen in
trauter Zweisamkeit, was selbst in Ländern wie Japan eher unüblich
ist.
Anschließend ging ich im Open-Air-Restaurant/Café (in Deutschland
würde man es wohl Biergarten nennen) Nauryz, nur einige Meter von
meinem Hotel, Mangla (eine Art kasachische Ravioli) essen, genoß
landesübliches Bier und betrachtete, auf einem urbequemen Sofa sitzend,
das Treiben in dem Laden. Im Nauryz kann man durchaus einige entspannte
Stunden verbringen. Roman kam später auch noch, und wir quatschen noch
eine ganze Weile über unsere Reisen und Erlebnisse in Zentralasien.
Fotogalerie: Turkistan
Dienstag, 13.05.2008
Dienstag morgen stand ich um halb acht auf und konnte tatsächlich
einmal richtig duschen, sogar mit warmem Wasser! Danach war wieder mal
Zeit, um ein paar Berichte zu verfassen (Strom gab es zum Glück
zeitlich unbegrenzt), und am Nachmittag um kurz nach zwei per Marshrutka
wieder zum Bahnhof. 14:53 Uhr fuhr mein Zug ab. Diesmal hatte ich statt
Platskarte einmal Kupe gebucht. Für den etwa 50 Prozent höheren
Ticketpreis erwartete ich etwas mehr Komfort, aber die Betten entsprachen
genau denen in der Platskarte-Kategorie (lediglich der recht unhöfliche
Zugbegleiter wollte mir statt der üblichen 250 Tenge den doppelten
Betrag für die Bettwäsche abknüpfen, was ich aber nicht mit
mir machen ließ), allerdings gab es pro Abteil nur vier (statt sechs)
Betten, und man konnte die Abteiltür schließen, hatte also etwas
mehr Privatsphäre. Außerdem war das Publikum in der höheren
Preisklasse etwas besser situiert. Im Großen und Ganzen lohnte sich das
Upgrade auf Kupe allerdings nicht. Naja, die 3-4 Euro mehr taten allerdings
auch nicht weh.
Da ich noch eine ganze Weile bei Tageslicht fuhr und es im Abteil - zumindest
wenn der Zug stand - unerträglich heiß war (das Fenster ließ
sich nicht öffnen) verbrachte ich die meiste Zeit im Gang davor am
offenen Fenster, betrachtete die Wüstenlandschaft, eine
DIY-Autowaschanlage (ein Mann hatte seinen Wagen auf eine kleine
Brücke gefahren und stand nun im Bach darunter und schleuderte
eimerweise Wasser hoch auf sein Auto) und winkende Kinder an den Schienen
(die wenigen Züge, die hier am Tag vorbeifuhren waren wohl eine kleine
Attraktion). Trotz meines genüßlich schnarchenden Abteilnachbarn
konnte ich abends, als die Hitze nachgelassen hatte, ganz gut schlafen.
Fotogalerie: Fahrt nach Almaty
Mittwoch, 14.05.2008
Kurz vor der Ankunft in Almaty stellte sich heraus, daß Ali, ein junger
Mann aus meinem Abteil, fließend Englisch sprach. Hätte ich das
vorher gewußt, wäre die Fahrt wohl interessanter gewesen. Naja,
so nahm ich nach unserer Ankunft am Bahnhof Almaty-2 (im Gegensatz zu
Almaty-1 in der Nähe des Stadtzentrums gelegen) mit ihm gemeinsam
ein Taxi, und er brachte mich zur Migrationspolizei, wo ich schließlich
doch noch (gegen eine Gebühr von 775 Tenge) mein Visum registrieren
lassen konnte. Eigentlich hätte das schon an der Grenze geschehen sollen,
doch der Zollbeamte dort verstand ja kein Wort Englisch. Da die Registrierung
allerdings 3 Stunden dauerte, sollte ich nach vier Uhr nochmal wiederkommen.
Ich nutzte die Zeit, um zum Sayran-Busbahnhof zu fahren. Praktischerweise fuhr
die Straßenbahn Nr. 4 direkt vor dem Polizeigebäude direkt dorthin.
Allerdings war das bei der sommerlichen Hitze in Almaty und mit meinem
gesamten Gepäck in der überfüllten Bahn eher ein Abenteuer
als Vergnügen (unterhaltsam waren aber die deutschen Hinweise in der
Bahn wie "Bitte währen der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen" (woran
sich verständlicherweise niemand hielt). Als die Tram dann auch noch
wegen des chaotischen Verkehrs kaum schneller als ein Fußgänger
vorwärtskam, stieg ich mit einer anderen Passagierin aus, und wir nahmen
uns für 300 Tenge ein Taxi nach Sayran. Unterwegs sah ich so einige
Schilder mit ausländischen Begriffen wie "Baumarkt" und "Klas City
Döner", und Namen und Telefonnummern der Busunternehmen und
Lkw-Speditionen, die immer noch auf den Fahrzeugen zu sehen waren. Sie
hatten ihren Weg nach Kasachstan gefunden, ebenso wie Anzeigen auf
Linienbussen wie "33 - Frankenroda ü. Berka" (praktischerweise war
der Bus in Deutschland auch als Linie 33 gefahren), ebenso wie zahllose
deutsche Autos (oft noch mit dem D-Aufkleber aus den Zeiten vor den
Euro-Nummernschildern).
Am Busbahnhof fand ich mit meinen rudimentären
Russisch-/Kasachisch-Kenntnissen doch recht schnell den Schalter für
die Bustickets nach China und konnte mich nach erfolgreichem Fahrscheinkauf
(wenn man Zielort und Abfahrtstag auf einen Zettel schreibt, muß man
nicht einmal Russisch können) wieder auf den Weg zurück ins Zentrum
machen. Allerdings wollten die Taxifahrer für den Rückweg
unverschämte 1000 Tenge haben und ließen sich auch nicht
runterhandeln. Als Kompromiss ließ ich mich für 500 Tenge zum
Dinamo Stadion (eher ein heruntergekommener Ascheplatz) bringen und ging
halt zwei Blocks zu Fuß. Leider hatte das im Lonely Planet genannte
Coffeedelia doch kein Wi-Fi-Internet, doch das nette Personal verwies mich
an das Il Patio. Dort
genoß ich - zu vergleichsweise hohen Preisen - leckere Pizza, lokales
Bier, kühle Klimaanlage und kostenloses WLAN, um meine Reiseberichte
zu aktualisieren.
Gegen fünf Uhr brach ich dann doch wieder auf, holte meine
Visa-Registrierung ab und wanderte die Hauptstraße südwärts,
zunächst zur St. Nicholas-Kathedrale, und kaufte einigen Proviant ein.
Außerdem traf ich auf der Straße einen japanischen Backpacker
(Hurra, ein Quasi-Landsmann) der quer durch China hierher gekommen war.
Der junge Mann aus Nagoya war wirklich motiviert und fit, übernachtete
in der preiswertesten Unterkunft am Busbahnhof (fast sowas wie ein japanisches
Kapselhotel) und wollte sich ein Fahrrad kaufen, um durch die Wüste zu
radeln, damit er sich das Geld für die Zugfahrt sparen konnte. Dagegen
war mein Reisestil ja richtig luxuriös.
An der Straße winkte ich mir schließlich ein Taxi heran, das
mich zum Tian Shan Astronomical Observatory fahren sollte. Also wir endlich
aus dem schrecklichen Verkehr der Stadt heraus waren, ragte vor uns auch
schon die grandiose Kulisse des über 4000 Meter hohen Tian Shan Gebirges
auf. Almaty hat wirklich eine tolle Lage. Wir passierten einen "Schlagbaum"
(das deutsche Wort ist auch ins Russische/Kasachische übernommen worden,
ebenso wie "Kontrol" und "Straf", sehr beliebte Vokabeln bei Polizisten und
anderen Staatsdienern) mit Wegzoll und fuhren in die Berge. Obwohl der
Taxifahrer meine, er könnte mich bis zum Observatorium bringen (und
schließlich mußte es ja eine Straße dorthin geben), wurde
die Piste immer rauher und gegen 20 Uhr am GES-1 Wasserkraftwerk wollte er
dann doch nicht weiter. Naja, ich konnte mich nicht beklagen, ein deutscher
Taxifahrer hätte sein Fahrzeug garantiert nicht so weit über solch
eine Schotterpiste gefahren.
Ein Passant, der sich in der Gegend auskannte, wies mir dann den Weg zum
Observatorium, das eine knappe Stunde zu Fuß entfernt sei. Also
sattelte ich mein Gepäck und begann den steilen Aufstieg, doch nach
über einer Stunde war von dem - damals zweitgrößten der
UdSSR - Observatorium immer noch nichts zu sehen und es wurde langsam
dunkel. Als ich auf eine Schotterstraße traf, hielt ich mich an die,
und ein netter Jeep-Fahrer nahm mich dann noch einen Kilometer weit mit,
über eine Piste, die ich persönlich nicht einmal mit einem
Allradwagen gefahren wäre. Von da waren es noch etwa zwei Kilometer, und
mit Stirnleuchte (ich wußte, ich werde sie noch mal brauchen) und unter
dem Mondlicht ging es dann weiter durch die wunderschöne Berglandschaft
oberhalb des schönen Bolshoe-Almatinskoe-Sees. Und nach einer Biegung
sah ich dann endlich das große Radioteleskop des Observatoriums und
einige weitere Gebäude des zur Zeit aus Geldmangel nur spärlich
betriebenen
Tian Shan Astronomical Observatory.
Es wurde auch langsam Zeit, denn mein Gepäck samt Proviant und Wasser
waren mir beim Aufstieg auf 2750 m Höhe doch schon schwer geworden.
In dem an das Observatorium angegliederten Gästehaus bekam ich ein nettes,
großes Zimmer (im Gegensatz zu Turkistan aufgrund eines Schadens am
Waschbecken mit dauerhaft fließendem Wasser). Trotz meiner
Erschöpfung wollte ich dann aber doch den Besuch in so einer
Einrichtung nutzen und einmal mit einem richtig großen Teleskop
in die Sterne gucken. Ein weißhaariger russischer Astronom (der
leider kein Englisch sprach, aber wir verstanden uns trotzdem
einigermaßen) zeigte mit dann auch netterweise eines der Teleskope,
und so konnte ich in dem klaren Nachthimmel den Saturn mit seinen Ringen
und sogar 4 seiner Monde, zwei Doppelsternsysteme, einen explodierenden
Stern und natürlich die Milchstraße und die Mondoberfläche
bestaunen. Super! Danach wanderte ich noch etwas über das geheimnisvoll
wirkende, verlassene Gelände des Observatoriums auf der Bergkuppe und
gönnte mir dann den wohlverdienten Schlaf.
Fotogalerie: Von Almaty nach Tian Shan
Donnerstag, 15.05.2008
Nach dem späten Frühstück wollte ich eigentlich zum Bolshoe
Almatinskoe und dann weiter nach Almaty heruntersteigen, aber gegen 11 Uhr
traf ich unterwegs zwei nette Tschechen (Josef und Vlasta) und schloß
mich ihnen an, doch wieder bergauf. Wir überquerten einen Pass in
ca. 3360 m Höhe (mit meinem gesamten Gepäck ein alles andere als
leichtes Unterfangen, aber die beeindruckend schöne Bergkulisse war ein
guter Antrieb) und erreichten Kosmostansia auf dem Bergkamm, von wo wir einen
umwerfenden Ausblick auf die Berge hatten, die im Süden nur wenige
Kilometer entfernt die Grenze zu Kirgisistan darstellten.
Von Kosmostansia ging es dann auf der anderen Seite der Berge wieder herunter,
über Felsen, Steppe und Schneefelder, in denen man zum Teil bis zur
Hüfte einsinken konnte. Das nenne ich Bergwandern. Weiter Richtung Tal
wandelte sich die Landschaft zu schönen Bergwiesen, auf denen es sich
wunderbar wandern ließ. Und schließlich folgten wir dem Lauf
eines rasanten Bergstroms talwärts. An einem Picknickpavillon in der
Nähe einer Straße angekommen dachten wir schon, wir hätten es
geschafft, doch der Zugang zur Straße war durch eine hohe Mauer versperrt.
So mußten wir doch noch bis zum Fluß herabsteigen und seinem
Verlauf entlang hoher Felsen und grandioser Landschaft von daher war der Umweg
durchaus zu verschmerzen) folgen. Am Ende erreichten wir einen gut besuchten
(und leider infolgedessen leider mit Müll übersäten)
Picknickplatz an einer Kurve einer Straße, zurück in der
Zivilisation und leider weg von den schönen, einsamen Bergen.
Fotogalerie: Tian Shan
Gregori, ein Freund von Josef und Vlasta, holte uns von da mit dem Auto ab
und setzte mich in Almaty ab. Da wollte ich mir ein Zimmer für die Nacht
suchen, was sich als schwieriger herausstellte, als ich erwartet hatte, denn
die im Lonely Planet genannten Hotels im Süden des Stadtkerns waren
entweder ausgebucht oder nicht auffindbar, und die anderen Hotels, an denen
ich vorbeikam, waren weit jenseits meines Reisebudgets. So mußte ich
notgedrungen meinen Schultern das Gepäck weitere zwei Stunden
aufbürden und erledigte die wichtigsten Sightseeingprogrammpunkte (vor
allem die sehenswerte Panivlov-Kathedrale) auf dem Weg nordwärts. Als es
dunkel wurde, erreichte ich schließlich das Hotel Turkistan, in einer
nicht ganz so netten Gegend gegenüber dem Basar. Auch hier waren die
Zimmerpreise höher als erwartet, aber noch bezahlbar, und so lud ich
endlich mein Gepäck ab. Anschließend flanierte ich noch ein
bißchen in der netten, nahe gelegenen Zhibek Zholy Einkaufsstraße,
wo auch abends noch einiges los war, ging noch kurz online und dann
erschöpft schlafen.
Fotogalerie: Almaty
Freitag, 16.05.2008
Morgens stand ich ziemlich früh auf und nahm gegen 6 Uhr ein Privattaxi
zum Sayran-Busbahnhof (in die Richtung war es mit 200 Tenge echt preiswert),
kaufte mir etwas Proviant und bestieg um 7 Uhr den Sleeper Bus nach China.
Der Bus war tatsächlich zum Schlafen ausgelegt, mit (recht kurzen) Betten
statt Sitzen in zwei Etagen. Ich hatte allerdings den wohl schlechtesten Platz
erwischt, ganz hinten in der Mitte eine der 4 Matratzen in der unteren Etage,
die noch kürzer und schmaler waren als die anderen. Durch die Räder
darunter und die Betten darüber war es wirklich beengend, ich konnte mich
nicht einmal ansatzweise mit dem Oberkörper aufrichten, dagegen
mußten japanische Kapselhotels geräumig sein. Zudem waren die
Straßen oder die Stoßdämpfer des Busses so schlecht
(wahrscheinlich beides), daß man noch nicht einmal lesen konnte,
da das Buch durch den permanent rüttelnden Bus zu sehr wackelte.
Zumindest konnte ich, wenn mein Nachbar gerade woanders war, manchmal
aus dem Seitenfenster die Wüsten- und Berglandschaft bewundern,
durch die wir fuhren. Im Bus sprach, außer einem netten kasachischen
Studenten niemand Englisch, so war die Fahrt eher eintönig abgesehen
von diversen Schlaglöchern, durch die ich manchmal fast bis zur Decke
geschleudert wurde.
Fotogalerie: Nach China
Um 14:30 Uhr erreichten wir bei Korgas die Grenze und mußten mit
unserem gesamten Gepäck aussteigen und durch die Paß- und
Zollkontrolle, die wir in nur etwa einer Stunde (ich bin inzwischen schon
anspruchslos) hinter uns hatten. Meine in Almaty erworbene Visa-Registrierung
wollte der Grenzbeamte noch nicht einmal sehen, war ja klar. Hinter dem
Kontrollgebäude warteten wir dann noch eine Weile auf den Bus, und
ich traf zwei nette japanische Backpacker (irgendwie scheint es in Kasachstan
nur Tschechen und Japaner zu geben).
weiter nach China
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