Zwischenstopp Oman

Japan - ein Name, der viele Bilder hervorruft, ein Land, das jeder kennt (diese Inseln ganz rechts auf der Weltkarte) über das man in Deutschland aber nicht allzu viel weiß. Ganz spontan fielen mir dazu folgende Begriffe ein: Sushi, Sumo-Ringen, Tokio, Hiroshima, Unterhaltungselektronik. Danach wurde es schon schwierig, obwohl Japan die wirtschaftlich zweitstärkste Nation der Welt ist, rund eineinhalbmal so viele Einwohner wie Deutschland hat und seine Hightechprodukte überall in unserem Alltag zu finden sind. Dieses moderne, hoch entwickelte und gleichzeitig so fremde Land fand ich schon immer spannend, doch bisher war es einfach zu weit weg gewesen.

Gegen Ende meiner Doktorarbeit wurde Japan aber plötzlich recht interessant, denn ich wollte für ein Jahr im Ausland wissenschaftlich arbeiten. Üblicherweise sind die Vereinigten Staaten das "Standardziel" für solch einen Aufenthalt außerhalb Europas, doch ich wünschte mir etwas "spannenderes". Zufällig lernte ich dann im vergangenen Sommer auf einer Konferenz Kouichi Tsuji, Professor an der Osaka City University, kennen, der in einem ähnlichen Bereich wie ich arbeitete. Und nach einigen E-Mails entwickelte sich dann schnell der Plan, mein Auslandsjahr in Japan zu verbringen. Wir beantragten gemeinsam ein entsprechendes Stipendium, doch die Bürokratiemühlen in Japan laufen langsam, und im Dezember kam dann eine Absage. Da hatte ich mich aber schon auf Japan eingestellt, einen Japanischkurs belegt und wollte nun auch unbedingt dorthin, was ich Prof. Tsuji schrieb. Und tatsächlich bekam ich Mitte Januar eine Nachricht von ihm, ein Professor an einer anderen Universität in Osaka habe eine Stelle frei, die aber schon ab dem 1. April zu besetzen sei. So ging plötzlich alles ganz schnell. Innerhalb von 8 Wochen mußte ich einen Flug buchen, meine Wohnung auflösen, all die bürokratischen und versicherungstechnischen Details eines längeren Auslandsaufenthalts klären und "nebenbei" noch meine Doktorarbeit vollenden. Zwei sehr stressige Monate folgten, und im Flieger hatte ich zum ersten Mal Zeit, mich zu entspannen und mir darüber Gedanken zu machen, daß ich nun für ein ganzes Jahr am anderen Ende der Welt leben sollte, in einer völlig anderen Kultur mit einer Sprache (und Schrift!) die nichts mit unserer oder anderen, die ich bisher kennengelernt hatte, gemeinsam hat. Dazu kam, daß ich weder meinen zukünftigen Chef noch meinen genauen Arbeitsauftrag kannte und außer einer formlosen E-Mail "you can start your job here in April" keine schriftliche Bestätigung für meine Anstellung hatte. Das war das Abenteuer, das ich mir gewünscht hatte!

Trotz all der Hektik hatte ich bei der Flugbuchung aber auf einer Sache bestanden: Auf dem Weg nach Japan wollte ich ein paar Tage Aufenthalt ein einem Ort, den ich noch nicht kannte. Wenn der strikte Zeitplan schon die wohlverdiente Weltreise verhinderte, so wollte ich zumindest unterwegs noch etwas Urlaub haben. Sondierung der Flugangebote führte schließlich zu einem Emirates-Flug mit Zwischenstopp in Dubai, also 4 Tage Wüste und Sonne. Da ich von der arabischen Halbinsel allerdings mehr sehen wollte als moderne Hochhäuser und Einkaufszentren in Dubai, bestieg ich noch am ersten Tag einen Linienbus in den Oman und kam nach sechs Stunden Fahrt durch Wüste und Berge im orientalischen Mutrah an, ein krasser Gegensatz zum fast westlichen Dubai. Zahllose Moscheen, beeindruckende Landschaften von Bergen und Meer und herzliche, offene Menschen, bei denen der Massentourismus noch nicht eingekehrt war und die an ausländischen Reisenden mehr interessierte als der Geldbeutel. Selbst die in vielen arabischen Ländern verbreitete Tradition des Trinkgelds (Bakschisch) ist im Oman unbekannt.

Nachdem ich einen Tag lang Mutrah und die beschauliche Hauptstadt Muscat besichtigt hatte (mit zeitweiligem Aufenthalt bei der freundlichen Palastwache, da ich unwissenderweise das Gelände des Sultanspalastes betreten hatte) ging es am nächsten Tag gut drei Stunden weiter in den Süden. Salim, ein Omani, den ich im Bus kennengelernt hatte, fuhr mich mit seinem Auto zum Wadi Shab, einer der Hauptsehenswürdigkeiten des Omans. "Normalerweise sind hier unheimlich viele Touristen, nur sonntags ist nicht so viel los", erklärte er mir. Ich weiß nicht, wie viele Menschen sonst das Wadi Shab besuchen (das im Übrigen mit Touristenbussen sowieso nicht zugänglich ist), aber wir trafen im Laufe des Tages ganze 5 Ausländer. Das Wadi Shab, ein teilweise ausgetrockneter Flusslauf mit üppiger tropischer Vegetation, ließ sich nur zu Fuß erkunden, und das letzte und beeindruckendste Stück legten wir schwimmend zwischen den steilen Felswänden zurück. Unsere Kleidung und Gepäck ließen wir auf einem Felsen liegen, es kam ohnehin niemand vorbei, der die Sachen stehlen konnte. Zum Abschluß tauchten wir noch durch einen Tunnel in eine Höhle im Felsen, die durch einen Felsspalt beleuchtet wurde und in der ein meterhoher Wasserfall herabplätscherte, eine wahrlich filmreife Kulisse. Auf dem Rückweg hielten wir an einem kleinen Haus an. "Hier wohnt ein Freund, den ich immer besuche, wenn ich hier bin", erklärte Salim. Der Freund war nicht da, doch seine Frau bereitete uns trotzdem ein opulentes omanisches Essen - das ist arabische Gastfreundschaft - das wir traditionell auf dem Boden sitzend mit den Fingern aßen, ohne die Gastgeberin, denn Frauen und Männer speisen in getrennten Räumen.

Am nächsten Morgen mußte ich schon den gastlichen Oman verlassen und kehrte in die Vereinigten Arabischen Emirate zurück. Abends hob dann mein Flieger Richtung Osaka ab und jetzt begann wirklich das Abenteuer Japan.

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