Japan - ein sicheres Land

Wenn ich japanischen Bekannten von meinen Reisen erzähle, höre ich fast immer die gleiche Frage: "Ist es in diesem Land nicht gefährlich?" Und das bezieht sich nicht nur auf exotische Länder, auch Italien oder Deutschland, eigentlich jedes Land außer ihrem eigenen, scheinen viele Japaner für gefährlich zu halten.

Wenn man eine Weile in Japan lebt, merkt man allerdings, daß die Japaner bei dieser Frage vielleicht gar nicht immer an Überfälle oder andere kriminelle Akte denken, sondern wohl auch an die vielen gefährlichen Situationen, in die man im Alltag geraten kann. Um diese Gefahr gering zu halten, wird man in Japan permanent aus Lautsprechern gewarnt: "Bitte passen Sie beim Ein- und Aussteigen an en Türen auf!" (in Zug und U-Bahn an jeder Haltestelle), "Bitte stehen Sie nur innerhalb des gelb markierten Bereiches und halten Sie sich am Handlauf fest!" (auf der Rolltreppe), "Bitte beachten Sie den Verkehr auf der Straße!" (in einer Endlosschleife beim Verlassen eines Parkplatzes), "Bitte lassen Sie nichts liegen!" (am Geldautomaten) usw. Außerdem piepen Autos und Lkw, wenn sie rückwärts fahren, Fahrkartenautomaten, wenn das Ticket herauskommt, und jede Ampel spielt ihre eigene Melodie, wenn sie grün ist. Als Blinder ist man offensichtlich in Japan gut aufgehoben. Allerdings sind all diese Hinweise nur auf Japanisch, so daß man als Ausländer hier schon durchaus gefährlicher lebt.

Da es trotz dieser Durchsagen aber immer noch zu Unfällen kommen kann, setzt man an besonders gefährlichen oder stark frequentierten Punkten auch noch menschliche Sicherheitsmitarbeiter ein. So stehen tagsüber an der Uni und in der Innenstadt an einer Fußgängerampel bis zu drei uniformierte Männer mit leuchtenden Signalstäben, die die Passanten mit weit ausgestrecken Armen daran hindern, über eine rote Ampel zu gehen. Sobald die Ampel grün wird, sprinten die Männer auf die Straße und rahmen den Bereich des markierten Fußgängerüberwegs ein, damit niemand versehentlich auf die Straße zwischen die wartenden Autos gerät. Auch die kleinste Baustelle auf der Straße ist eingezäunt, nachts mit Blinklichtern markiert und wird oft auch noch an jeder Seite von je einem Sicherheitsmitarbeiter mit Leuchtstab "bewacht".

Auch wenn diese Maßnahmen einem Ausländer vielleicht etwas übertrieben erscheinen, so schaffen sie doch zumindest zahlreiche Arbeitsplätze Inzwischen finde ich gerade den Menschen an der Parkplatzausfahrt direkt um die Ecke sehr praktisch. Sobald er mich kommen sieht, springt er kühn vor die herausfahrenden Autos und macht den Weg für mich frei. Das scheint für ihn auch einmal etwas Abwechslung bei der eher anspruchslosen (wenn auch natürlich verantwortungsvollen) Arbeit zu sein. Tauschen möchte ich mit ihm aber trotzdem nicht, denn auch wenn die körperliche Sicherheit gewährleistet ist, weiß ich nicht, wie es um meine psychische Unversehrtheit bestellt ist, wenn ich an einem Arbeitstag über 7000mal die Warnung "Bitte beachten Sie den Verkehr auf der Straße!" hören muß.

zurück