Die Japaner - Herdentiere?

Der Mensch an sich wird allgemein als Herdentier bezeichnet, doch auf den Japaner (und die Japanerin natürlich) scheint das ganz besonders zuzutreffen. Die sprichwörtlichen "japanischen" Reisegruppen (auch wenn es gar nicht immer Japaner sind). an Touristenzielen auf der ganzen Welt kennt wohl jeder.

Doch auch im eigenen Land sind Japaner selten alleine anzutreffen. Gut verstehen und schätzen kann ich das bei den Warteschlangen am Bahnsteig, wo sich die Japaner ordentlich in einer Reihe aufstellen, bis der Zug kommt, so daß Aus- und Einsteigen deutlich schneller gehen als z.B. in Deutschland (oder noch schlimmer in einigen anderen Ländern), wo sich oft ein Pulk von Menschen an jeder Zugtür bildet, und jeder möglichst als erster einsteigen will, um noch einen Sitzplatz zu bekommen.

Doch auch in anderen Situationen stellen sich die Japaner gerne an, beispielsweise vor Imbissbuden in Bahnhöfen. Ich würde mir meine Kleinigkeit zu Essen einfach in einem anderen Läden in der Nähe holen, wo ich nicht warten müßte, doch wenn ein Japaner sieht, daß vor einem Schnellimbiss eine 5 Meter lange Menschenschlange steht, dann muß das Essen dort ja besonders gut sein, und er reiht sich hinten ein.

In Nagoya bin ich japanischen Freunden auch zu einem Misokatsu-Restaurant gefolgt, vor dem die Menschen bis in eine Seitenstraße anstanden. Unterwegs waren wir an mehreren kaum besuchten Imbissbuden vorbeigekommen, und Misokatsu, eine Spezialität, für die Nagoya bekannt ist, konnte man sicher an vielen Orten kaufen. Doch ich vermute fast, dass meine Freunde nach der längsten Schlange vor einem Restaurant gesucht hatten.
Selbst in japanischen Kneipen muß man gelegentlich anstehen, und manchmal liegen sogar Listen aus, mit welcher Wartezeit man etwa rechnen muß.

In einer tragischen historischen Situation hatte das Schlangestehen der Japaner aber auch etwas Gutes: Als die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg die Insel Saipan eroberten, wollten sich die zivilen Einwohner von einem Felsen stürzen, da ihnen die japanische Propaganda ein Schreckensbild der Eroberer ausgemalt hatte. Als die amerikanischen Soldaten schließlich den Felsen erreichten, konnten sie etliche Menschen retten, die noch in der Schlange standen, bis sie an der Reihe waren zu springen.

Heutzutage genießen die Japaner Saipan allerdings als Touristen, und sie machen gerne einen Ausflug zur vorgelagerten Insel Managaha. Zwar ist dieses Eiland so klein, daß man es in 20 min umrunden kann, und der Reiseführer hatte mich davor "gewarnt", daß Managaha von japanischen Touristen überlaufen sei. Doch diese tummelten sich alle in einem kleinen Abschnitt der Küste (an dem amüsanterweise sogar noch ein Schwimmverbot bestand), so daß ich 5 min Fußmarsch entfernt tatsächlich ein bißchen "einsames Südseeinsel-Feeling" genießen konnte.

Zum Schluss muss hier aber noch festgestellt werden, dass das japanische Pflichtbewusstsein sogar den "Herdentrieb" in den Schatten stellt. Bestes Beispiel ist der japanische Feldwebel Yokoi Shoichi, der fast 30 Jahre auf der Insel Guam (heutzutage wie Saipan ein beliebtes Urlaubsziel der Japaner) allein im Dschungel gegen die Amerikaner kämpfte, weil er nicht mitbekommen hatte, dass der Krieg schon zu Ende war.



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