Morgens checkte ich aus Talal's New Hotel aus und erkundigte mich an der Rezeption nach einem Bus nach Damaskus in Syrien.
Man konnte mir auch gleich eine Busgesellschaft empfehlen, den Namen ließ ich mir auf einem Zettel notieren, da ich
die arabische Schrift ja nicht lesen konnte. Also machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum nahe gelegenen Busbahnhof
Charles Helou. Dieser bestand aber nur aus ein paar Ticketbuden unter einer Art Autobahnbrücke, wo zahlreiche Busse hielten.
Sofort wurde ich von den Rufen der Ticketverkäufer empfangen, die nach meinem Reiseziel fragten, doch ich hatte ja meinen
Zettel und fragte mich zum richtigen Busunternehmen durch. Oder einem Ticketverkäufer, der behauptete, er sei der richtige.
Wie sollte ich es auch überprüfen? Zumindest passte der Fahrpreis, und es stand schon ein Minibus bereit, der in Kürze
abfahren sollte. Also Gepäck rein, ich rein und Zeitung aufgeschlagen. Als ich die Zeitung durchgelesen hatte, standen
wir immer noch da, und der Fahrer machte auch keine Anstalten loszufahren, obwohl er immer wieder sagte, es gehe gleich los.
Offensichtlich wollte er nicht mit nur einem Passagier losfahren, denn außer mir saß niemand im Wagen, was mich
eigentlich hätte mißtrauisch machen sollen. Als ich nach eineinhalb Stunden etwas deutlicher darauf drängte
loszufahren (in der Zwischenzeit waren von woanders sicher schon einige Busse nach Damaskus abgefahren), ließ der
Fahrer endlich den Motor an, fuhr los, auf die Hauptstraße und ... zurück zum Busbahnhof. Unterwegs war leider
kein weiterer Passagier aufgetaucht. Das ganze wiederholte er noch ein, zweimal, dann war es mir zuviel. Angenervt forderte
ich von dem Ticketverkäufer mein Geld zurück (der Fahrer sprach noch schlechter Englisch als er) und sagte, dass
ich nun nach Damaskus fahren wolle. Er schlug ein Taxi vor, was mir zu teuer war, und das hätte ich auch schon zwei
Stunden früher haben können. Ich wollte ein Service Taxi ("servees"), das man sich mit mehreren Personen teilt,
und schließlich fand sich sogar eins, das ich nehmen konnte. Der Fahrer war etwas besser in der Passagiersuche als
mein Busfahrer und ruckzuck waren alle Sitze des alten Mercedes voll und es ging aus Beirut hinaus Richtung Osten, an einem
Armeemonument aus eingemauerten Panzern vorbei Richtung Syrien.
Während sich die Straße die Berge im Osten hochwand, hatte man einen tollen Ausblick über die libanesische
Küstenregion, und um 13:20 Uhr erreichten wir die Grenze. Da ich mein syrisches Visum schon in Deutschland
bekommen hatte, ging es relativ schnell, und eine Stunde später waren wir schon wieder unterwegs. Von dort war
es nicht mehr weit bis Damaskus, und nach einer halben Stunde ließ uns der Fahrer raus. Allerdings waren
wir nicht im Zentrum oder in der Nähe eines Bahnhofs, sondern irgendwo außerhalb der Stadt an einer
Hauptstraße. Ein mitreisender Syrer in traditioneller arabischer Tracht, der ein paar Worte Englisch verstand,
verscheuchte die Taxifahrer, die in dem an der Straße wartenden Ausländer gleich ein Geschäft sahen,
brachte mich zum richtigen Bus in die Stadt und bezahlte sogar für mich den Fahrschein. Er war offensichtlich
amüsiert von einem Touristen, der öffentliche Verkehrsmittel nutzen wollte. Von der Endhaltestelle des
Busses musste ich aber schließlich doch noch ein Taxi nehmen, um zur Festung zu kommen, oder einem anderen
Ort, der auf der Karte im Lonely Planet verzeichnet war. Das war gar nicht so einfach den Taxifahrern zu erklären,
da ich ja nicht wirklich weiß, wie man arabische Name ausspricht. Dann ging es zu Fuß zu meiner Unterkunft
für diesen Abend.
Das Al Rabie Hotel war zurecht im Lonely Planet empfohlen worden: Sehr freundliches, englisch sprechendes Personal,
einen romantischen, mit einem Blätterdach gedeckten Innenhof und eine relativ günstige Lage in der Nähe
der Sehenswürdigkeiten. Leider waren alle Einzelzimmer ausgebucht, so dass ich ein Bett im "dorm" auf dem Dach
bekam, welches eher das Flair eines Feldlazaretts hatte, aber andererseits lernt man so auch Leute kennen.
Nachdem ich eingecheckt hatte, konnte ich um halb fünf dann meine Sightseeingtour beginnen. Praktischerweise
waren alle Sehenswürdigkeiten in Fußwegentfernung. Zunächst ging es zur Festung (Citadel) und dann in
die beeindruckende Umayyad-Moschee, eine der größten und wichtigsten der islamischen Welt, wo unter
anderem auch der Kopf oder der Leichnam Johannes des Täufers aufbewahrt sein soll. Obwohl die Umayyad-Moschee
ein aktives Gotteshaus ist, liefen dort auch zahllose Touristen herum (und natürlich auch viele Moslems, die beteten
und Fotos machten), schließlich war sie die Hauptsehenswürdigkeit der syrischen Hauptstadt.
In der benachbarten Sayyida Ruqayya Moschee sah es da schon anders aus. In dem schiitischen Gotteshaus, das einer
islamischen Heiligen gewidmet ist, sah man eigentlich nur Moslems beim Gebet (einige machten aber auch Fotos mit
ihren Handys), ein ganz schöner Trubel, aber irgendwie authentischer als in der Umayyad-Moschee. Trotzdem durfte
ich mich als Ausländer dort umschauen. Das Personal war sehr freundlich, auch als ich versehentlich fast in den
Frauenbereich des Gebäudes lief.
Weiter ging es dann durch die engen und verwinkelten Gassen der Souqs, wo ich trotz Karte auf der Suche nach dem
nördlichen Stadttor etwas die Orientierung verlor. Der Mann, den ich nach dem Weg fragte, entpuppte sich dann
als ein großer Fußballfan, insbesondere Deutschlands. Er war der Vorsitzende des Bayern München
Fanclubs im Nahen Osten (ich wußte gar nicht, dass es so etwas gibt) und zeigte mir Fotos seines Hauses im
Libanon, an dessen Fassade eine riesige Deutschlandflagge hing. Generell sah man in der ganzen Region, einen Monat
vor der Fußball-WM in Südafrika, überall Flaggen der verschiedenen teilnehmenden Nationen (Syrien
und Libanon gehörten nicht dazu), wobei die schwarz-rot-goldenen Fahnen noch deutlich vor den brasilianischen
die Mehrheit stellten.
Irgendwann fand ich meinen Weg in den Souqs wieder, wo ich einige historische Gebäude sah, wie das Bab
as-Saghir, eine Gruppe Deutscher traf, die auf einer Autorallye von Mitteleuropa bis in den Nahen Osten waren,
und ließ natürlich die Atmosphäre der Souqs auf mich wirken, mit ihren Ständen voll Gold,
Gewürzen, exotischen Heilmitteln und jeglichen Waren, die man sich vorstellen konnte. Als es schon dunkel
wurde, kehrte ich zum Zentrum der Altstadt zurück und bewunderte die illuminierten Tore der Umayyad-Moschee
bei einem köstlichen Softeis mit Nüssen vom Bekdach. Der Laden war nicht ohne Grund von Kunden
überlaufen, nicht nur weil er im Lonely Planet empfohlen war. Ich holte mir für den Heimweg dann
gleich noch ein zweites Eis.
In der Nähe des Al-Merie (Märtyrer) Platzes fand ich dann ein nettes Internet-Café, in dem sogar
Skype funktionierte. Normalerweise ist das aus politischen Gründen in Syrien gesperrt, ebenso wie politisch
unliebsame Seiten wie Facebook oder YouTube. Da konnte ich dann auch mal Cat anrufen und meine Ma, um ihr zum
Muttertag alles Gute zu wünschen, bekam dann aber auch gleich Schimpfe, was ich denn im Nahen Osten
"Urlaub" machte. Irgendwie glaubte sie mir nicht, dass Syrien tatsächlich ein fantastisches Reiseland ist.
Zurück im Hotel hatte ich dann noch einen netten Plausch mit meinen Zimmer- äh Dachnachbarn Mike
und Cristiano, wobei letzterer von einigen sehr kreativen Rezepten aus seiner italienischen Heimat erzählte,
wie Pizza mit Kokosnuss, Ananas und Schokolade, oder Risotto mit Erdbeeren. Das muss ich unbedingt mal zu Hause
ausprobieren. Den Rest des Abends ließ ich dann im gemütlichen Innenhof des Hotels ausklingen bevor
ich relativ früh schlafen ging.