Am nächsten Morgen (oder eher Vormittag) holten wir uns an einem nahegelegenen Kiosk etwas zum Frühstück, was
nur nach dem Draufzeigen-und-Bezahlen-Prinzip funktionierte, denn die Dame in dem Laden sprach nur Russisch. So war es dann
auch ganz spannend, was wir denn da erstanden hatten. Eine der Teigtaschen war mit Kartoffeln gefüllt, was recht
lecker war, aber in den anderen waren seltsame Fleischbröckchen (später erfuhren wir, daß es sich um
Leber handelte), was auch die fleischessenden unter uns nicht begeistern konnte. Egal, anderes Land, anderes Frühstück.
Nach dem Essen regelten die Hostel-Betreiber Tim und Ira dann die Zimmerverteilung: Solveig und ich bekamen das Doppelzimmer,
die Herbergskatze Gizmo (wer sie sieht, weiß, warum sie so heißt) suchte sich einen Versteck unter dem Herd,
Ira und Tim schliefen im Badezimmer, und die Badewanne wurde kurzerhand in die Besenkammer gestellt.
Gegen mittag kam dann mein Arbeitskollege Evgeny (der aus St. Petersburg stammt und zufällig auch zu der Zeit in Rußland
war) vorbei, um Tatjana, Solveig und mich abzuholen und uns die Stadt zu zeigen. Außerdem wollte ich schon einmal mein
Zugticket für die geplante Fahrt von Irkutsk nach Ulaanbaatar kaufen, da die Transsib sehr schnell ausgebucht ist und
der Ticketkauf mit dem russischsprechenden Evgeny doch einfacher werden würde. Doch selbst für ihn war diese vermeintlich
leichte Aufgabe recht aufwendig. Zunächst einmal mußten wir das Gebäude mit der großen Schalterhalle suchen,
wo es nicht nur Fahrplaninfos gab, sondern auch die Möglichkeit, welche zu kaufen. Da der Infoschalter geschlossen war,
stellten wir uns einfach an einem Schalter an, um dort nach einer halben Stunde Wartezeit zu erfahren, daß mein
gewünschtes Ticket an zwei bestimmten Schaltern im Obergeschoß verkauft würde. Also da wieder anstellen, wo
auch nur 5 Leute vor uns standen. Doch ich weiß nicht, ob es am Personal oder den Kunden lag, aber ein Vorgang, für
den ich maximal zwei Minuten veranschlagen würde ("Ich hätte gern eine Fahrkarte nach XY." - "Das macht 500 Rubel." -
"Bitte sehr."), dauerte bei einigen Kunden 30-45 Minuten! Selbst der geduldige Evgeny, der in Rußland aufgewachsen ist,
war nach eineinhalb Stunden Wartezeit ziemlich genervt. Als wir dann endlich an der Reihe waren, ging es doch recht schnell,
schließlich wußten wir ja genau was wir wollten (ich hatte mir im Internet schon einige Verbindungen rausgesucht).
Allerdings kostete das Ticket mit 1880 Rubeln (1 Euro = 34,2 Rubel) fast dreimal soviel, wie ich erwartet hatte, zumal ich den
langsamen Zug (allerdings 4er-Schlafwagen, bei 34 Stunden Fahrt ist das auch nötig) nahm,
da der schnelle ausgebucht war. Als wir uns nach dem Grund für den hohen Preis erkundigten, servierte uns die Dame
am Schalter barsch ab und verbreitete plötzlich Hektik, nach der stundenlangen Trödelei vorher. Wir sollten uns
schnell entscheiden, ob wir das Ticket nun wollten oder nicht, andere Leute warteten schon. Da wir keine Möglichkeit
sahen, woanders einen billigeren Fahrschein zu bekommen und nach stundenlanger Warterei zumindest ein Erfolgserlebnis haben
wollten, zahlte ich zähneknirschend. Später beim Blick auf das Ticket stellte ich dann fest, daß die Fahrt
nur ca. 1130 Rubel kostete, für die Platzreservierung fielen 550 Rubel an (und ich fand früher 3 Euro Platzreservierung
bei der Deutschen Bahn unverschämt) und schließlich kamen noch 200 Rubel nicht näher erläuterte "Gebühr"
dazu.
Naja, immerhin hatte ich dann mein Zugticket, und wir konnten uns noch etwas die Stadt ansehen.
Neben den üblichen Sehenswürdigkeiten, zeigte uns Evgeny noch einen Teremok-Stand (wo es köstliche Pfannkuchen
in etlichen Geschmacksrichtungen gab), einen netten Biergarten vor einer Kirche (wo Evgenys Frau Svjeta zu uns stieß) und
einen Supermarkt (wo wir die Chance nutzten und uns die Beschriftungen auf den Packungen übersetzen ließen). Einen
besseren Reiseführer für St. Petersburg konnten wir uns nicht wünschen. Abends zurück im Hostel kochten
wir unseren Einkauf und speisten opulent (die Russen lieben es süß und fettig). Und trotz einiger "Unannehmlichkeiten"
(im Gemüse war eine kleine Raupe und auf dem teuren Kaviar Schimmel) ließen wir uns die gute Laune nicht verderben.